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Ehrenamtspreis - 3. Platz: Gegen das Schweigen auf dem Hof

Sattes Grün, malerische Höfe, Familienzusammenhalt – das Bild der Landwirtschaft wird oft idyllisch gezeichnet. Die heile Welt gab es aber längst nicht überall ...

Irmgard Hüppe und Bernd Bettmann kennen die Sorgen bäuerlicher Familien.

Irmgard Hüppe und Bernd Bettmann kennen die Sorgen bäuerlicher Familien. Foto: Michael Bönte / kirche-und-leben.de

Sattes Grün, malerische Höfe, Familienzusammenhalt – das Bild der Landwirtschaft wird oft idyllisch gezeichnet. Die heile Welt gab es aber längst nicht überall – heute schon gar nicht mehr. Wirtschaftlicher Druck, politische Auflagen und das zunehmend kritische Klima gegenüber der konventionellen Landwirtschaft bedeuten enormen Stress auf den Höfen. Probleme, die es immer schon gab, werden dadurch verstärkt.

„Vor allem sind es Generationenkonflikte“, sagt Irmgard Hüppe aus Hörstel vom Verein Ländliche Familienberatung im Bistum Münster. „Die Frage, wie es mit dem Hof weitergeht, wer ihn künftig wie führen soll, welchen Platz Großeltern, Eltern und Kinder dort haben werden, gibt es fast überall.“ Auch Krankheiten, Partnerschaftsprobleme oder finanzielle Fragen gehören zu den Sorgen, mit denen sich landwirtschaftliche Familien an die Beratung wenden.
Hüppe und ihre 30 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer erleben oft eine Sprachlosigkeit. „Was sich über viele Jahre aufgeschaukelt hat, aber nie thematisiert wurde, ist in der Notsituation besonders schwer in Worte zu fassen“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins.

Nach dem ersten Kontakt meist per Telefon besuchen die Beraterinnen deshalb die Familien nicht nur einmal. Oft zieht sich der Kontakt über einen längeren Zeitraum, bis sich die Betroffenen dem Kern ihrer Probleme nähern können.

„Dabei geht es erst einmal darum, Vertrauen zu gewinnen“, sagt Hüppe. „Um dann heraushören zu können, um was es wirklich geht.“

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass der Grund für die aktuellen Sorgen oft viel tiefer liegt, eine längere Geschichte hat. Manchmal seien es Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, aber nie bearbeitet wurden. „Sie sind den Betroffenen nicht mehr bewusst, aber sie fühlen sie noch – und das wird irgendwann zur großen Last.“
In dieser Situation braucht es ein besonderes Zuhören. Ein Verständnis für die Hintergründe, Wissen über die Mechanismen und Strukturen einer bäuerlichen Familie. „Unsere Helferinnen haben alle den ‚Stallgeruch‘ – kommen aus der Landwirtschaft“, sagt Bernd Bettmann.

Der erste Vorsitzende des Vereins weiß, dass sich die Familien auf den Bauernhöfen damit besser verstanden fühlen. „Sie brauchen ihre Grundansichten oft gar nicht zu schildern, weil die Beraterinnen so viel Sachverstand mitbringen.“

So können neue Perspektiven leichter gemeinsam erarbeitet werden. Die sehen jedes Mal anders aus, sagt Hüppe: „Wir kommen nicht mit der Lösung auf die Höfe – die müssen die Menschen mit unserer Unterstützung selbst finden.“ Wenn aber der Punkt erreicht wäre, in dem das Problem klar benannt werden könne, sei schon ein großer Schritt in der Aufarbeitung gemacht.

Mit dem Ehrenamtspreis des Bistums Münsters zeichnen Bistum, Diözesankomitee und „Kirche-und-Leben.de“ beispielhafte, innovative oder nachhaltige Projekte aus. Zur Preisverleihung am 17. September stellen wir die Preisträger vor. Den dritten Preis gibt es 2023 zweimal, darunter die Ländliche Familienberatung im Bistum Münster.

Michael Bönte / kirche-und-leben.de